Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass grundsätzlich jeder Mitarbeiter eines Bauunternehmens bei Anwesenheit im Rahmen einer Baustellenbesprechung oder ähnlichen nicht förmlichen Gesprächen eine Vertragsänderung verursachen kann, wenn ein diesbezüglicher Gesprächsinhalt anschließend etwa im Rahmen eines Besprechungsprotokolls übersandt wird.
Das höchste deutsche Zivilgericht behandelt damit die Dokumentation von Vertragsänderungen im Rahmen von Protokollen wie ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben. Für den Empfänger eines solchen Protokolls bedeutet dies die Notwendigkeit zur erhöhten Aufmerksamkeit, damit der Inhalt solcherlei Schriftstücke kurzfristig nach Eingang überprüft und gegebenenfalls beantwortet werden kann. Der Bundesgerichtshof bringt in seiner Urteilsbegründung zum Ausdruck, dass diese Grundsätze auch auf Bauunternehmer Anwendung finden können, die nicht Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches sind.
Vor dem BGH hatte der Bauherr Schadensersatz gegen Architekt und Unternehmer geltend gemacht. Gegenüber dem Bauunternehmer kamen Vordrucke zum Vertragsschluss zum Einsatz, in denen für die Gewährleistung auf die Vorschrift des § 13 VOB/B verwiesen wurde. Ein Mitarbeiter des Bauunternehmers unterzeichnete später ein Verhandlungsprotokoll, in welchem eine Gewährleistungsfrist von fünf Jahren beginnend mit Abnahme formuliert war. Der Bauherr machte Schadensersatz wegen Mängeln erst nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten kurzen, aber knapp vor Ablauf der fünfjährigen Frist geltend. Der Bauunternehmer berief sich auf die Verjährung der Mängelansprüche unter Verweis auf den ursprünglichen Vertrag und § 13 VOB/B.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die ursprüngliche kurze Verjährungsfrist durch die im Verhandlungsprotokoll vereinbarte Verjährungsfrist von fünf Jahren abgelöst wurde. Der Einwand des Bauunternehmers, wonach der Mitarbeiter, der an der Besprechung teilgenommen hatte, nicht bevollmächtigt gewesen sei, könne nicht durchgreifen. Denn der Bauunternehmer habe das Verhandlungsprotokoll „alsbald nach Durchführung der Verhandlung“ erhalten und diesem nicht widersprochen. Der Bundesgerichtshof kommt zu diesem Ergebnis, indem er die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens entsprechend anwendet. Der Bauunternehmer ist gehalten, ein ihm überstelltes Protokoll kurzfristig zu überprüfen und den Verhandlungsergebnissen gegebenenfalls zu widersprechen.
Die Entscheidung bringt für Bauunternehmer ein erhebliches Gefahrenpotenzial mit sich. Im zu Grunde liegenden Fall war die betreffende Besprechung noch nicht einmal anhand der Einladung oder Ankündigung als vertragsrelevant erkennbar. Der Bauunternehmer handelte damit grundsätzlich nachvollziehbar, indem er einen zum Vertragsschluss nicht bevollmächtigten Mitarbeiter schickte. Der Bundesgerichtshof sieht das Auftauchen von ständig sich ändernden technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen als für Bauverträge typisch an und leitet hieraus die Üblichkeit der fortschreitenden Anpassung der Vertragsgrundlagen ab. So kommt der Bundesgerichtshof jedenfalls für den Fall, dass ein Mitarbeiter des Bauunternehmens das Verhandlungsprotokoll unterzeichnet, zum Ergebnis gegen den Inhalt des Protokolls zur Vertragsänderung führen kann.
Für Rechtsstreitigkeiten, die die Bauvertragsparteien vor Gericht austragen, bringt das Urteil des Bundesgerichtshofes eine Erleichterung im Hinblick auf die Nachvollziehbarkeit und für den Beleg von Vertragsänderungen mit sich.
Jedem Bauunternehmer kann nur dringend empfohlen werden, die Durchführung von Gesprächen während des Bauvorhabens zu dokumentieren, bei Unklarheiten im Rahmen eines von Dritten erstellten Protokolls jedenfalls nicht zu unterzeichnen und insbesondere übergebene oder per Post bzw. Telekommunikation zugestellte Protokolle unverzüglich sorgfältig zu überprüfen. Aufgrund der vom Bundesgerichtshof angedeuteten weitgehenden Anwendung der Grundsätze auch auf Nichtkaufleute könnte dies für kleinere Unternehmen zu notwendigen organisatorischen Änderungen führen, um den entstehenden zusätzlichen Verwaltungsaufwand leisten zu können.
Dr. Peter Heink